Autonome Fahrzeuge sind zentraler Bestandteil sämtlicher Konzepte zur Mobilität der Zukunft. Während der automatisierte Betrieb von Bahnen in geschlossenen Systemen seit Jahrzehnten realisiert ist, arbeiten wir heute am sicheren Betrieb in einer offenen Infrastruktur, also dem Normalbetrieb einer autonomen Straßenbahn im städtischen Verkehr. Hier sind weitaus anspruchsvollere technologische Voraussetzungen zu erfüllen: Ein autonomes Fahrzeug muss – vergleichbar einem menschlichen Fahrer – komplexe Fahrsituationen zuverlässig erkennen, interpretieren und selbstständig darauf reagieren.
Im Rahmen des vom BMWK geförderten Verbundprojekts SmarTram (Autonom fahrendes Transportsystem für den Stadtverkehr mit erhöhtem Passagierkomfort) entwickeln wir gemeinsam mit unseren Projektpartnern* einen Systemdemonstrator für eine intelligente Straßenbahn. Ziel des Projekts ist es, die technologischen Herausforderungen des autonomen Fahrens von Straßenbahnen unter realen Einsatzbedingungen zu erfassen sowie innovative Lösungsansätze für einen sicheren Betrieb zu entwickeln und zu erproben. Dabei sollen Erkenntnisse aus dem Automobilbereich auf schienengebundene Fahrzeuge übertragen werden.
Wir bewerten die KI-basierte Objekterkennung des Sensor-Setups und übernehmen die Validierung der hochautomatisierten Trambahn. Um einen sicheren Betrieb im urbanen Umfeld zu gewährleisten, wird eine kombinierte Automatisierungslösung aus fahrzeug- und infrastrukturbasierter Sensorik realisiert. Dabei müssen unterschiedliche Sensortypen aufeinander abgestimmt werden, um mittels Datenfusion eine valide und robuste Wahrnehmung der Verkehrsumgebung sowie des Fahrzeuginnenraums sicherzustellen. Die Vernetzung der Systemkomponenten erfolgt per Cloud-Computing in Segmenten über drahtlose Internetanbindung (V2X-Kommunikation via 5G). Hierbei ist die störungsfreie sowie IT-sichere Kommunikation von entscheidender Bedeutung.
Ein bedeutender Meilenstein in unserem Forschungsprojekt SmarTram wurde erreicht: Die Ausstattung des Testfahrzeugs mit 5G-Kommunikationstechnik ist abgeschlossen und die ersten Messfahrten wurden erfolgreich durchgeführt. Unser Hauptaugenmerk liegt hierbei auf einer resilienten Systemarchitektur und der Vernetzung relevanter Teilnehmer via 5G zur Gewährleistung eines sicheren Betriebs im urbanen Umfeld.
Welche Anforderungen muss eine vernetzte Straßenbahn während der Fahrt erfüllen und wie können die benötigten Informationen sicher an das Fahrzeug übertragen werden? Um diese Fragen zu beantworten, haben wir in Zusammenarbeit mit unserer Partnerfirma Marc Triefelder – IT Engineering die Kommunikationstechnik im Straßenbahntriebwagen der CVAG in Betrieb genommen und via 5G-Mobilfunk ein Netzwerk zwischen Testfahrzeug, Teleoperator, einer prototypischen Leitstelle und infrastrukturbasierter Sensorik konfiguriert. Die Übertragung der Kamera-Streams und Datenpakete erfolgt hierbei über verschlüsselte VPN-Verbindungen – resilient und sicher.
Das realisierte 5G-Setup wurde bei ersten Messfahrten auf einem Streckenabschnitt der CVAG erprobt und Latenz-Zeiten sowie Verfügbarkeiten der eingesetzten 5G Kommunikationstechnologie kontinuierlich überwacht und aufgezeichnet. Im weiteren Verlauf des Projekts könnten verschiedene Maßnahmen ergriffen werden, um die Performance und Sicherheitsaspekte der 5G-Vernetzung zu optimieren, insbesondere unter Nutzung der Slicing-Technologie. Durch die Umsetzung dieser Maßnahmen könnte das Projekt SmarTram nicht nur die Performance und Sicherheit der 5G-Vernetzung erheblich steigern, sondern auch wegweisende Standards für den autonomen Straßenbahnbetrieb in urbanen Umgebungen setzen.
Bei der Umsetzung des Informationssicherheitskonzeptes richten wir uns nach den Vorgaben des BSI. Im Rahmen des Projektes wird ein IT-sicheres Setup eingerichtet. Weiterführende Handlungsempfehlungen für eine Serieneinführung werden für den Straßenbahnbetreiber abgeleitet.
Zusammen mit unserem Projektpartner Hörmann Vehicle Engineering arbeiten wir am künftigen Design und der Ergonomie einer automatisierten Straßenbahn. Sofern ein vollautomatisierter Betrieb realisiert ist, kann der klassische Fahrerarbeitsplatz in der Bahn prinzipiell entfallen. Somit wird sich künftig auch die Rolle des klassischen Straßenbahnfahrers zunehmend in Richtung serviceorientiertes Personal oder Teleoperator verändern.
Zahlen des Statistischen Bundesamtes zeigen, dass Verunglückte bei Straßenbahnunfällen vorwiegend andere Verkehrsteilnehmer sind. Daher liegt der Fokus bei der Entwicklung des Exterieurs speziell auf der Interaktion von Verkehrsteilnehmern. Da im automatisierten Betrieb kein Blickkontakt zum Straßenbahnfahrer möglich ist, wurden externe HMIs (eHMIs) erarbeitet, die neben der Warnglocke auf visuellem Pfad eine Interaktion mit dem automatisierten System ermöglichen.
Für die Gestaltung des Interieurs liegt der Fokus vor allem auf einer passenden Informationsaufbereitung für Fahrgäste sowie der Vertrauensbildung bei der fahrerlosen Fahrt. Der Entwurf des Visionsfahrzeugs der SmarTram wird der Öffentlichkeit erstmals am Tag der offenen Tür der CVAG präsentiert. Hierbei erfolgt die Führung um und durch das Visionsfahrzeug mithilfe von Virtual Reality.
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Für die entwicklungsbegleitende Unterstützung der Projektpartner sowie im Rahmen der Nachweisführung setzt die IABG auf virtuelle Simulationen. Hierbei wurde ein Streckenabschnitt der CVAG digitalisiert, um modellierte Fahrzeugreaktionen in vertrauter Umgebung verifizieren zu können. Die modellierte Straßenbahn deckt hierbei die Fahrdynamikeigenschaften (Drehgestelle, Rad-Schiene-Kontakt) ab. Für die Simulation des automatisierten Betriebes wurden Sensormodelle sowie der Fahrregler integriert und im weiteren Projektverlauf validiert. Außerdem ermöglicht die realisierte Simulationsumgebung für automatisierten Tram-Betrieb die weitere Erprobung mittels Software- und Hardware-in-the-Loop-Verfahren.
Die entwickelten Algorithmen zur Hinderniserkennung vom Projektpartner FusionSystems werden durch die IABG bewertet und erprobt. Für die Bewertung der KI-basierten Objekterkennung setzen wir hierbei das langjährig entwickelte safeAI-Kit ein, welches konform zu relevanten KI-Standards ist. Mithilfe des safeAI-Kits werden frühzeitig Aussagen zur Leistungsfähigkeit, Unsicherheit, Robustheit, Erklärbarkeit und des zugrunde liegenden Datensatzes des KI-Modells generiert, um die den Algorithmus zu optimieren. Darüber hinaus wird in Anlehnung an das safeAI-Kit eine Methodik und Framework erarbeitet, mithilfe derer die Erkennung von Radar- und Lidar-Sensoren analysiert und bewertet werden kann. Erste Testläufe mit Sensordaten und integriertem Algorithmus zur Lidar-Hinderniserkennung waren bereits erfolgreich.
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Auf Basis der „Dienstanweisung für den Fahrdienst mit Straßenbahnen“ (DFStrab) wurden Use Cases des automatisierten Straßenbahnbetriebs definiert und Automatisierungserfordernisse abgeleitet.
Der Projektpartner Hörmann stellt hierbei ein Requirements-Management Tool zur Verfügung in dem das Lastenheft einer automatisierten Straßenbahn digital erfasst ist und Konfigurationen nachvollziehbar zurückverfolgt werden können. Im Kontext der Nachweisführung dient das Tool im Weiteren zur Erstellung und Dokumentation der Testplanung der Subsysteme sowie des integrierten Gesamtsystems.
Für die Validierung und Absicherung wurde der Technische Sicherheitsplan (TeSiP) zusammen mit Hörmann Vehicle Engineering für den Realdemonstrator gemäß EU Nr. 402/2013 (CSM RA) modifiziert und weiterentwickelt. Die weitere Sicherheitsargumentation des automatisierten Betriebes erfolgt unter Berücksichtigung der Vorgaben durch die ISO 21448. Wir verfolgen das Ziel, die Performance- und Betriebsgrenzen der SmarTram mittels Simulation und realem Versuch zu ermitteln und abzusichern. Zur permanenten Gewährleistung der Sicherheit sitzt im Testbetrieb stets ein Begleitfahrer in der Straßenbahn, der jederzeit eingreifen und übersteuern kann.
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Projektbeginn: 01.10.2022
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